Interview mit Hartmut Ziebs

Interview mit Hartmut Ziebs

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Der Artikel „INTERVIEW MIT HARTMUT ZIEBS – „Ich war so begeistert von der Feuerwehr, ich wollte dabeibleiben“ erschien in der EN-Aktuell 06/16. In der Zeitschrift ist nur ein gekürzter Teil des Interviews zu lesen. Das komplette, ungekürzte Interview finden Sie hier – zum anhören oder lesen.

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Interview

„Ich war so begeistert von der Feuerwehr, ich wollte dabeibleiben“

Der neu gewählte Präsident des Deutschen Feuerwehrverbandes Dipl.-Ing. Hartmut Ziebs hat sich unseren Fragen gestellt. Der gebürtige Schwelmer ist nun der ranghöchste Feuerwehrmann in Deutschland. Doch so sehr ihn seine neue Position auch in die Welt hinauszieht, sein Herz schlägt noch immer für seine Heimat.

Viele kleine Jungs wollen später einmal Feuerwehrmann werden, wenn sie groß sind. Wann haben Sie Ihre Begeisterung für die Feuerwehr entdeckt?

Das war eigentlich sehr spät. Ich war der Auffassung, die Bundeswehr müsste mal einen Moment ohne mich klarkommen. Ich wäre zwar dort hingegangen, hatte aber keine Zeit, ich wollte mein Abitur machen und wollte studieren. Und ich bin dann erst einmal zehn Jahre zur Feuerwehr gegangen, um den Katastrophenschutz-Dienst zu machen. Ich habe aber nach 4-6 Wochen gar nicht mehr darüber nachgedacht, wann die zehn Jahre herum sind. Ich war so begeistert von der Feuerwehr, ich wollte dabeibleiben.

feuerwehr_rutschstangeWenn ich an die Feuerwehr denke, stelle ich mir immer vor, wie der Alarm losgeht und alle Feuerwehrleute diese große Stange hinunterrutschen. Entschuldigen Sie die simple Frage, aber: Gibt es diese Rutschstangen in den Feuerwachen wirklich?

Ja, diese Stangen gibt es wirklich. Auch in der Schwelmer Feuerwache gibt es diese Rutschstange. Wenn der Alarm kommt, dann rutschen die Feuerwehrleute in der Tat aus dem ersten Stock hinunter ins Erdgeschoss.

Nach knapp vierzig Jahren bei der Feuerwehr: Welcher Einsatz ist Ihnen besonders in Erinnerung geblieben?

Das sind zwei Einsätze. Das ist sicherlich einmal der Brand bei Schenker (1993) als die Spedition abgebrannt ist. Und zweitens 2009 der Einsatz in der Kaiserstraße in Schwelm mit den vier Toten.

Wie fühlt es sich an ein Leben zu retten? Bleiben Sie mit den Menschen in Kontakt, die Sie gerettet haben? Da entsteht doch bestimmt eine ganz besondere Verbindung.

Man bleibt mit den Menschen eigentlich nicht in Kontakt. Das ist einfach ein tolles, erhebendes Gefühl und danach weiß man, dass es es sich gelohnt hat, Feuerwehrmann oder -frau zu werden. Aber man verliert die Menschen aus den Augen.

Sie sind dieses Jahr zum Präsident des Deutschen Feuerwehrverbandes gewählt worden. Dazu möchte ich Ihnen erst einmal herzlich gratulieren!

Danke

Sie sind nun der ranghöchste Feuerwehrmann in Deutschland. Was ist für Sie die größte Herausforderung in dieser Position?

Man muß die Feuerwehr an vielen Stellen platzieren. Und natürlich auch die unterschiedlichen Interessen von den Ländern unter einen Hut bringen, das ist eine Herausforderung! Das heißt, die Feuerwehr in der Bundespolitik platzieren, auf EU-Ebene platzieren, im internationalen Bereich platzieren und dabei noch die Interessen der sechzehn unterschiedlichen Bundesländer und der Landesfeuerwehr-Verbände mitberücksichtigen. Das ist eine echte Herausforderung!

Wie muss ich mir Ihren Arbeitsalltag als Präsident des DFV vorstellen? Leben Sie noch immer in Schwelm? Was sind die Aufgaben, die täglich auf Sie zukommen?

Ich lebe immer noch in Schwelm. Ich habe in Berlin eine kleine Wohnung, weil ein Hotelzimmer auf Dauer a) zu teuer ist und b) auch nicht schön zu bewohnen ist. Ich bin in der Regel von montags bis dienstags in Berlin. Da beginnt der Tag um sechs Uhr morgens mit dem Lesen von E-Mails und auch Zeitungen, die sind eine wichtige Informationsquelle. Um neun Uhr spätestens geht es ab ins Büro, das ist nicht weit entfernt, so 2-3 Fußminuten entfernt von meiner Wohnung und dann beginnt in der Regel eine Mitarbeiterbesprechung. Was ist an wesentlichen Themen in dieser Woche anhängig? Was ist vielleicht auch Wichtiges passiert? Gibt es möglicherweise Einsätze, die von besonderer Bedeutung sind, die man mitbegleiten muss, die pressetechnisch oder auch politisch begleitet werden müssen?Und dann finden vielfach Termine mit Politikern statt, ob jetzt in Ministerien oder mit Abgeordneten. Oder Termine mit der Presse oder mit anderen Interessenvertretern, die mit der Feuerwehr irgendwie zu tun haben. Und das Ganze geht bis abends, erfahrungsgemäß bis 21-22 Uhr. Dann hören die Arbeitstage in Berlin auf und mittwochs, donnerstags, freitags bin ich in der Regel dann hier in Schwelm. Aber das heißt nicht, dass ich nichts mit der Feuerwehr zu tun habe, sondern dann werden viele Dinge telefonisch oder per E-Mail erledigt oder es werden von hier aus auch Termine in anderen Bundesländern wahrgenommen. Und wie schon immer, seit vierzig Jahren, Samstag und Sonntag gehört grundsätzlich immer der Feuerwehr, d.h. dann fährt man zu Jubiläen, zu bestimmten Veranstaltungen, um einfach mit der Feuerwehr vor Ort noch Kontakt zu haben.

Hartmut_ZiebsViele Menschen, die vor Krieg und Terror aus Ihrem Heimatland geflohen sind, haben in den letzten Jahren eine Zuflucht in Deutschland gefunden. Welche Rolle spielt die Feuerwehr bei der Flüchtlingshilfe?

Ja, wir haben von Anfang an eine große Rolle gespielt. Mit Beginn der Flüchtlingswelle bzw. der Zuwanderungswelle in Deutschland waren rund 50.000 Feuerwehrleute jeden Tag im Einsatz, um Logistikaufgaben zu übernehmen, um die Krisenstäbe zu besetzen, gerade in der Anfangszeit war die Verwaltung noch nicht ganz so lauffähig, das kam ja alles ziemlich überraschend. Das ist aber mittlerweile vorbei! Die Verwaltungen haben die Aufgaben hervorragend übernommen, da haben wir uns zurückziehen können. Im Moment sind die Feuerwehren gefordert, die Flüchtlinge zu integrieren, also bei der Integration zu helfen, sie mit in die Feuerwehren zu holen und dort die Flüchtlinge mit unserer Kultur, mit unseren Werten letztendlich – ich sag mal – zu „infizieren“, wenn sie denn hierbleiben.

Was muss ich tun, wenn ich der Freiwilligen Feuerwehr beitreten möchte? Darf ich das als Frau überhaupt? Und muss ich dazu die deutsche Staatsangehörigkeit besitzen?

Erst einmal grundsätzlich: Frauen sind bei der freiwilligen Feuerwehr und bei der Berufsfeuerwehr ganz herzlich willkommen! Wir freuen uns über jede Frau, die zu uns kommt. Genauso sind Flüchtlinge bei uns herzlich willkommen. Nein, Sie müssen nicht die deutsche Staatsbürgerschaft haben. Sie gehen einfach zu Ihrer Feuerwehr zu Ihrem Standort – ob das jetzt eine Löschgruppe ist oder wie in Schwelm, Ennepetal, Gevelsberg, in Hattingen oder Witten zur Feuerwache – und sagen: „Hallo, hier bin ich! Wann kann ich zu Euch kommen? Wann ist der nächste Dienst? Ich würde gerne bei der Feuerwehr mitmachen!“. Und dann wird man relativ schnell in die Freiwillige Feuerwehr aufgenommen.   

Was sind die häufigsten Fehler, die gemacht werden und die dann schließlich einen Brand zur Folge haben? Haben Sie ein paar Tipps für unsere Leser, wie Sie sich besser schützen können?

Ja! Wir fangen mal mit der Grillsaison an, die im Moment läuft.

Wenn’s nicht gerade regnet…

(lacht) Wenn es nicht regnet, ja, da haben Sie Recht! Bitte keine brennbaren Flüssigkeiten in einen bereits brennenden Grill schütten! Oder wenn man denn mit brennbaren Flüssigkeiten versucht einen Grill anzustecken, dann erst die brennbare Flüssigkeit und dann aus einer sicheren Distanz das Feuerzeug oder am besten noch ein Streichholz daraufwerfen. Das Zweite: Wenn irgendwann Mal der Grill zu hoch brennen sollte, das kann schon mal passieren, wenn zum Beispiel das Fett heruntertropft, einfach einen Deckel daraufmachen, dann hört das auch ganz von alleine wieder auf. Das Gleiche gilt übrigens, wenn Ihnen mal eine Fritteuse oder eine Pfanne in Brand gerät, was einfach manchmal passiert. Deckel drauf! Nicht anderes machen, einfach nur den Deckel drauf! Dann ist das Feuer wieder aus!

Und um Brände zu verhindern?

Um Brände zu verhindern sollte man mit offenen Flammen vorsichtig umgehen. Mit Kerzen vorsichtig umgehen! Wenn man eine Kerze auspustet kann die sich auch noch nach zwei, drei oder vier Minuten entzünden ohne, dass man etwas dazugetan hat. Da sollte man also darauf achten, dass man eine Kerze, wenn man sie auspustet, noch einen Moment beobachtet. Keine glühenden oder gerade ausgedrückten Zigaretten oder Zigarren in einen Mülleimer werfen! Das ist immer der typische Vorgang für einem Wohnungsbrand: Zigarette ausgemacht, Aschenbecher geleert in den Mülleimer und vergessen, da könnte noch eine Glut an der Zigarette oder Zigarre sein. Im Sommer bitte darauf achten, dass man mit einem Automobil nicht auf trockene Grasflächen fährt. Der Katalysator heute wird so heiß, dass der Problemlos trockenes Gras entzündet und dann steht das Auto in Flammen und auch noch die Grasfläche in Brand. Das sind so ein paar kleine Tipps, einfach mit offenem Feuer vorsichtig umgehen, dann passiert auch nicht viel!

Wahrscheinlich ist es auch sinnvoll, einen Rauchmelder zu installieren.

Das ist absolut sinnvoll! Der Rauchmelder rettet nicht nur Leben, das ist die vornehmste Aufgabe des Rauchmelders, wenn es denn brennt, dann ist der Brandrauch das tödlichste eigentlich, die Flamme selber ist noch nicht einmal ganz so schlimm im ersten Moment, aber er schützt natürlich auch die Wohnung, weil viel früher ein Brand bemerkt wird und je früher die Feuerwehr interveniert um so geringer ist der Schaden letztendlich in der Wohnung, im Haus, im Auto, egal wo. Je früher wir kommen, dann sollte das Feuer nicht ganz so dramatisch mehr sein.  Und deshalb ist der Feuermelder immer sinnvoll!

Feuerwehrmann gehört zu den Top10 der Berufe, die Frauen an Männern besonders sexy finden. Merken Sie das in Ihrem Alltag? Liegt Ihnen die Frauenwelt zu Füßen?

Das habe ich noch gar nicht überprüft! Der Hinweis ist gut, ich werde mal mehr darauf achten! Das scheint aber nicht so zu sein, denn sonst würden mehr Frauen zur Feuerwehr kommen. Wir haben da wirklich noch für Frauen genug Platz! Also mir ist es noch nicht aufgefallen!

Werden wir Sie dieses Jahr auf dem Heimatfest in Schwelm antreffen? Oder bleibt für solche Vergnügungen nun keine Zeit mehr, jetzt wo Sie Präsident des Feuerwehrverbandes sind?

Ich muss dieses Jahr leider dem Schwelmer Heimatfest am Freitag und Samstag einen Korb geben, da bin ich in Berlin verpflichtet. Allerdings werde ich versuchen Sonntag pünktlich zum Heimatfestzug wieder in Schwelm zu sein.

Zu meiner letzten Frage: Gibt es einen Platz, den Sie im EN-Kreis gerne aufsuchen, um mal abzuschalten und Kraft zu tanken? Wo ist Ihr Lieblingsplatz im Ennepe-Ruhr-Kreis?

Wenn Sie mich das so fragen, ist das in der Tat in meiner Heimatstadt am Schloss Martfeld. Dort setze ich mich schon mal gerne auf eine Parkbank, betrachte einfach das Schloss und auch den Park, dann hänge ich schon mal meinen Gedanken nach und finde einfach meine Heimatstadt wunderschön!

Vielen Dank, dass Sie sich Zeit für das Interview genommen haben. Und an dieser Stelle auch einen großen Dank an Sie und alle Feuerwehrleute für ihren täglichen Einsatz

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