Der Artikel „Interview mit Sia Korthaus – Kind, warum hast du nichts ordentliches gelernt?“ erschien in der EN-Aktuell 03/18. In der Zeitschrift ist nur ein gekürzter Teil des Interviews zu lesen. Das komplette, ungekürzte Interview finden Sie hier – zum Anhören oder Lesen.
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Interview mit Sia Korthaus: „Kind, warum hast du nichts ordentliches gelernt?“
Die Kabarettistin Sia Korthaus hat sich über die Grenzen von NRW hinweg längst einen Namen gemacht. Sie ist intelligent, vielseitig und witzig. Zudem hat sie nicht nur flotte Sprüche auf der Zunge, sondern begeistert ihr Publikum auch mit einer beeindruckenden Gesangsstimme. Und zuletzt hat sie als Comedian noch einen weiteren Trumpf im Gepäck: eine Handpuppe, die auch in Ihrem aktuellen Programm „Lust auf Laster“ für viele Lacher sorgt.
Sie sind mehrfach ausgezeichnete Kabarettistin und bereits seit über 20 Jahren auf der Bühne. Angefangen hat aber alles noch sehr viel früher, im Reichenbach-Gymnasium in Ennepetal. Stichwort Max und Moritz.
Ja. Ich war im Schulchor. Etwas, das ich total gerne gemacht habe! Ich war mein ganzes Leben lang schon in Chören. Wir haben dort Max und Moritz aufgeführt. Ich spielte die Rolle der Witwe Bolte und ich war so furchtbar nervös, dass die Plastikhühner in meinen Händen so zitterten, dass sie sehr lebendig aussahen. Das war mein allererster Auftritt, ich glaube ich war 11 Jahre alt.
Hatten Sie schon als kleines Mädchen den Berufswunsch „Comedian“? Wenn man Sie als 10-jährige gefragt hat was Sie mal werden möchten. Haben Sie da geantwortet „Wenn ich groß bin verdiene ich mein Geld mit Lustigsein“?
Da wollte ich Zoodirektorin werden. Und Malerin. Naja, sagen wir mal so: ich glaube, dass jedes Kind oder alle Jugendlichen sich mit der Haarbürste vor den Spiegel stellen und singen. Und das habe ich natürlich auch gemacht! Mir war das aber nicht so wirklich bewusst, dass das tatsächlich mal mein Job wird. Ich habe es immer wahnsinnig gerne gemacht, schon in der Schule, und ich war auch in einer Theatergruppe in Schwelm als ich 14 oder 15 war. Ich hab da schon eine 100-Jährige gespielt, was heute nach wie vor meine Lieblingsrolle ist: Omas spielen. Das hat sich irgendwie entwickelt. Ich habe erst einmal Sozialpädagogik studiert und bin während des Studiums dann tatsächlich immer mehr zum Theater gekommen. Ich war dann in einer semiprofessionellen Theatergruppe. So hat sich das ergeben. Und irgendwann dachte ich: naja, jetzt könnte ich mir ja eigentlich auch mal eigene Texte schreiben und auch einmal ein Solo machen! Und das habe ich dann viel später gemacht! Ich habe vorher klassisches Theater und Kinder- und Jugendtheater gespielt und 1996 dann mein allererstes Solo. Ich bin da reingerutscht.
Die Stadt Ennepetal fährt derzeit eine Image-Kampagne, bei der in kurzen Videoclips außergewöhnliche Menschen mit ungewöhnlichen Hobbys, Berufen oder Fähigkeiten vorgestellt werden, die alle in Ennepetal leben oder dort aufgewachsen sind. Und in Episode 1 von „Echt Ennepetal“ werden Sie, Sia Korthaus, vorgestellt. Wie fühlt sich das an, wenn die alte Heimat mit einem solchen Projekt auf einen zukommt? Denn so weit ich weiß, leben Sie ja inzwischen in Köln und nicht mehr in Ennepetal.
Ja, ich bin schon seit 21 Jahren in Köln. Ich lebe jetzt mittlerweile länger in Köln als ich in Ennepetal gelebt habe. Dort war ich 19 Jahre. Ja, das war natürlich toll und ich fühlte mich unglaublich geehrt. Tom Hoppe hatte mich kontaktiert und mich gefragt, ob ich Lust hätte dort mitzumachen. Und dann ist er auch extra nach Köln gekommen, um das Interview mit mir zu machen. Er war total nett und ich fühlte mich selbstverständlich sehr geehrt. Genau das Gleiche passierte vor ein paar Jahren. Da wurde ein neuer Teil des Schulhofs des Reichenbach-Gymnasiums eingeweiht. Und da wurde ich gefragt, ob ich bei der Einweihung dabei sein möchte. Und dann dachte ich: ja, jetzt hab ich es geschafft! Ich habe einen Schulhof eingeweiht! Juchhu! (lacht) Ja, natürlich fühle ich mich sehr geehrt!
Als Künstlerin sein Leben zu bestreiten ist sicherlich nicht immer leicht. Gab es je Momente, die Sie an ihrem beruflichen Weg haben zweifeln lassen?
Klar, natürlich! Speziell am Anfang, weil man ja nicht sofort bekannt ist und nicht sofort davon leben kann. Und ich musste am Anfang selbstverständlich noch irgendwelche Nebenjobs machen. Ich denke, so Rückschläge gehören aber selbstverständlich auch dazu, denn man lernt aus seinen Fehlern. Es gab immer mal wieder Momente, in denen ich dachte: machst du wirklich das Richtige? Meine Eltern haben früher immer gesagt: „Kind, warum hast du nichts Ordentliches gelernt?“. Aber ich bin im Nachhinein so froh, dass ich drangeblieben bin, denn ich kann mir überhaupt nichts anderes vorstellen! Ich habe Führerschein und Abitur, ich könnte gar nichts anderes. (lacht)
Mit 28 Jahren sind Sie kurzzeitig auf die Kanareninsel La Gomera ausgewandert. Wie kam es dazu?
Ich habe einfach nur eine Freundin besucht, die dort schon zwei Jahre lebte. Und ich wusste schon am ersten Tag: ich muss dahin, das ist meine Insel, ich muss da leben! Zu dem Zeitpunkt hab ich noch Kinder- und Jugendtheater gemacht und wollte das eigentlich gar nicht mehr. Und diese Freundin, die auf Gomera lebte, war auch Kabarettistin, und dann haben wir ganz einfach gesagt: komm, wir versuchen jetzt mal auf Gomera Kabarett zu machen! Und das haben wir auch gemacht. Wir haben dann ein Duo gespielt und ich habe dort mein erstes Solo-Programm entwickelt und rausgebracht.
Gab es dort genügend Deutsche als Zuschauer? La Gomera ist ja eher als das Auswander-Paradies der Hippies bekannt. Hatten Sie lauter deutsche Hippies als Zuschauer auf La Gomera?
Speziell in den Achtzigern war das mit den Hippies sehr deutlich dort zu sehen, aber es ist mittlerweile anders geworden. Es ist immer noch nicht dieser typische Pauschal-Tourismus, weil es sehr aufwändig ist, dorthin zu kommen, aber es sind trotzdem genügend Leute da, speziell auch Deutsche, die sich Kabarett angucken. Und alle zwei bis drei Wochen wechselt ja das Publikum, von daher konnten wir das immer ganz gut spielen. Einmal in der Woche das Duo, und einmal in der Woche mein Solo. Ich konnte wirklich gut davon leben.
Wie lange waren Sie auf La Gomera?
Letztendlich waren es dann doch nur neun Monate.
Derzeit sind Sie mit Ihrem Solo-Programm „Lust auf Laster“ auf Tour. Geht es da um Brummifahrer oder um schlechte Gewohnheiten oder um schlechte Gewohnheiten von Brummifahrern?
(lacht) Ich frage ganz am Anfang des Programms, ob eventuell Fernfahrer im Publikum sind, die sich freuen, dass sie einen ganzen Abend über Laster sehen. Natürlich großes Gelächter! Selbstverständlich geht es nicht um LKWs! Wobei sie zwischendurch auch vorkommen, aber sie werden nur in einem kleinen Satz erwähnt… Es geht natürlich um die kleinen Laster, die jeder von uns hat. Und ich denke, man kann ruhig dazu stehen, wenn man das gesunde Mittelmaß einhält.
Sie haben diesmal ja auch eine Praktikantin mit auf der Bühne. Britta von Haselhoff. Mit dem US-Schauspieler „I’ve been looking for freedom“ David Hasselhoff hat die junge Dame aber nichts zu tun, oder?
Woher wissen Sie das? (lacht) Das verrate ich doch erst zum Schluß! Also gut, dann verraten wir es jetzt vorher schon: das ist jetzt ihr Groß-Cousin! David Hasselhoff hat irgendwann das „von“ abgelegt, aber sein Blut ist trotzdem öfter noch blau, ja.
Britta hat ja einen ganz besonderen Berufswunsch. Sie möchte nicht Comedian werden, wie Sie…
Genau, sie möchte YouTube-Star werden und Beauty-Tipps im Internet verteilen. Sie ist anfangs noch furchtbar schüchtern, aber in der Pause gebe ich ihr ein kleines Coaching und in der zweiten Hälfte dann kommt sie dann sehr aus sich raus. Und sie kann gut Witze erzählen, was ich persönlich nicht kann.
Wie lange brauchen Sie, um ein solches Solo-Programm zu schreiben. Und arbeiten Sie da ganz alleine dran oder holen Sie sich Unterstützung?
Mittlerweile habe ich ein gutes Team zusammen. Früher habe ich alles alleine gemacht und mittlerweile weiß ich, dass es wesentlich besser ist, wenn mehrere Gehirne an einer Sache rumdenken. Ich habe zwei bis drei Co-Autoren, die mit mir arbeiten. Und ich habe auch eine Komponistin, die mir die Lieder vertont, die ich texte. Es sind also einige Beteiligte. Einen Regisseur habe ich selbstverständlich auch. Und ich brauche, wenn ich mich so richtig reinhänge mit allem Drum und Dran, mit Proben usw., circa drei Monate.
Wird das dann auch getestet, wenn Sie so ein Programm geschrieben haben? Holen Sie sich Freunde und Familie und spielen Sie es denen einmal vor?
Ich spiele vor guten Freunden, die teilweise auch aus dem Job kommen, teilweise aber auch nicht und völlig neutral sind. Aber eben Menschen, bei denen ich weiß, da kann ich hundertprozentig drauf vertrauen, die haben da einfach einen guten Blick und können auch konstruktive Kritik geben, wenn ihnen etwas nicht gefällt. Das sind ungefähr so zehn Leute und denen spiele ich das dann vor. Da wird dann auch mal eine ganze Menge geändert. Und dann habe ich selbstverständlich vor jeder offiziellen Premiere auch Vorpremieren. Das heißt, dass ich in kleineren Städten das Programm ausprobiere. Und dann kann es auch sein, dass die ein oder andere Nummer nochmal rausfliegt.
Bevor Sie auf die Bühne gehen, haben Sie da ein bestimmtes Ritual? Spucken Sie dreimal über Ihre linke Schulter? Trinken Sie vielleicht einen Schnaps?
Ich spucke mir selber sehr gerne über die Schulter, ja. (lacht) Nein, ich habe da so ein paar Meditationsrituale, die ich vor jedem Auftritt mache.
Das hilft dann auch, die Aufregung besser in den Griff zu kriegen?
Ja, einfach dass ich mich so ein bisschen erde. Dass ich mich auf den Abend einstelle und nicht ganz so nervös bin. Es kommt immer drauf an! Wenn ich ein Programm schon eine ganze Weile spiele, dann bin ich auch nicht mehr wirklich nervös. Ganz am Anfang, die ersten zehn Vorstellungen beim neuen Programm, die sind natürlich Horror, weil man ich permanent überlegen muss, wie es jetzt weitergeht und wie der Text lautet. Ich habe in den ersten fünf Vorstellungen meinen Manager in der ersten Reihe sitzen, der das komplette Textbuch hat, und notfalls auch soufflieren kann.
So ein Programm besteht ja aus extrem viel Text. Ist es Ihnen schon mal passiert, dass Sie einen Blackout hatten und Ihren Text vergessen haben?
Wie gesagt, in den ersten Vorstellungen passiert es auf jeden Fall. Ich sage das aber auch vorher dem Publikum. Ich habe da so ein bestimmtes Augenzwinkern und dann weiß mein Manager: ok, jetzt ist es soweit, jetzt hat sie den Text vergessen, jetzt muss ich den Text reingeben! Und das Publikum wartet förmlich drauf! Wenn es dann soweit ist, gibt es einen Riesenapplaus. Das Publikum findet das meistens toll, weil sie natürlich sehen, das ist auch nur ein Mensch auf der Bühne! Und da passieren auch Fehler. Und wenn ich das Solo aber schon eine ganze Weile gespielt habe, dann kommt es relativ selten vor, dass ich mal einen Hänger habe. Und wenn es passiert, dann stehe ich ganz offen dazu und sage das auch. Es ist nie schlimm. Also für mich natürlich in dem Moment schon, aber die Leute finden es überhaupt nicht schlimm, im Gegenteil.
Auch die Musik und der Gesang ist Ihnen sehr wichtig. In all Ihren Programmen haben sie mehrere Lieder integriert. Doch es gibt ein Programm, da steht die Musik wesentlich stärker im Fokus. „Komm ganz nah“ heißt es.
Ich habe 20 Jahre lang in all meinen Programmen Lieder drin gehabt und viele Leute haben gefragt: das ist so schön, gibt es da nicht eine CD? Und naja, ich bin ein sehr bequemer Mensch, ich habe das immer vor mir hergeschoben. Aber dann habe ich es aber endlich mal verwirklicht und habe endlich mal eine CD aufgenommen. Jetzt mache ich auch ein musikalisches Programm mit meiner Lieblingsmusikerin, die mir die meisten Texte auch komponiert. Sie spielt Klavier und singt auch mit. Und dieses Programm ist eine Mischung aus Witz und Kabarett, hat aber auch Melancholie und Ernsthaftigkeit. Das ist mir sowieso in all meinen Programmen wichtig, auch in meinem Solo, dass ich zumindest eine Szene oder ein Lied habe, das ein bisschen nachdenklich ist und bei dem die Leute auch die Möglichkeit haben, so ein bisschen zur Ruhe zu kommen.
An dieser Stelle möchte ich kurz darauf hinweisen: Am 21. April 7. Juni sind Sie und Ariane Baumgartner in Bochum im Zauberkasten in Köln im Senftöpfchen mit „Komm ganz nah“ zu sehen. Und eine CD gibt es auch.
Das war wirklich ein Herzensprojekt und macht wirklich sehr großen Spaß! Denn ich singe total gerne und in der Musik kann man einfach nochmal anders Gefühle entwickeln und rüberbringen. Es ist einfach was anderes! Natürlich sind da auch lustige Texte drin und auch die Zwischenmoderationen sind total lustig. Die Emotionen werden komplett bedient, vom Weinen bis zum Lachen.
Jetzt haben wir über das musikalische Programm gesprochen und wo man Sie sehen kann. Auch mit Ihrem Programm „Mit Lust auf Laster“ sind Sie hier zu sehen. Soweit ich weiß sogar im EN-Kreis, ist das richtig?
Ich bin am 2. Juni in Witten bei Kultur auffem Hügel. Und am 22. September im Filmriss in Gevelsberg. Da habe ich schon mal gespielt. Beides sind wirklich ganz tolle Locations, an denen ich sehr gerne bin und sehr gerne spiele.
Ich möchte nicht indiskret sein, aber mich würde brennend interessieren, welche Socken Sie gerade tragen. Es hält sich nämlich das Gerücht, dass Sie sehr gerne Socken mit Comic-Motiven tragen.
Das ist schon länger vorbei! (lacht) Die habe ich teilweise wirklich nur getragen, also ausschließlich,. Aber das das ist jetzt anders. Ich habe aber tatsächlich noch ein paar Socken mit Snoopy und auch eins mit Waldorf und Statler aus der Muppet Show.
Also tragen sie diese noch im Bett oder zu Hause?
Also im Bett trage ich keine Socken, ich schwitze ja immer wie Sau.
Auch im Winter?
Immer! Ich schwitze immer! Das hat nichts damit zu tun, dass ich jetzt in die Wechseljahre komme! Das hatte ich schon immer… Ich war schon als Kind war ich ein kleiner Heizofen.
Nun zu meiner letzten Frage, die wir all unseren Interview-Partnern stellen: haben Sie einen Lieblingsplatz im EN-Kreis, in Ihrer alten Heimat, den Sie besonders schätzen, und an dem man gut entspannen und Kraft tanken kann?
Naja, wenn ich jetzt sage: „Auf unserer alten Obstwiese auf einem alten Pflaumenbaum!“, dann würde ich aber nicht empfehlen, dass jetzt alle Menschen da hinpilgern und sich auf diesen Baum setzen! (lacht) Aber das war für mich einfach halt immer so der Platz, an dem ich schon als Kind und auch als Jugendliche immer gesessen habe. Ansonsten liebe natürlich Rüggeberg. Ich bin ja hinter Rüggeberg groß geworden und dort finde ich es landschaftlich nach wie vor traumhaft schön! Und immer, wenn ich da bin, dann fühle ich mich in meine Kindheit zurückversetzt und fühle mich einfach nur wohl! Da kann ich sehr gut entspannen. Oder wenn ich um die Heilenbecketalsperre gehe.
Das heißt, Besuche in der alten Heimat machen Sie noch?
Mache ich schon! Die sind nur sehr selten geworden, weil mittlerweile meine Familie überhaupt nicht mehr da lebt. Alle sind weg oder auch verstorben und deshalb bin ich eigentlich so gut wie kaum noch da.
Vielen Dank, dass Sie sich für dieses Interview die Zeit genommen haben! Weiterhin ganz viel Erfolg mit Ihren tollen und sehr unterhaltsamen Bühnenprogrammen. Und wer Lust hat Sia Korthaus zu sehen, unter www.siakorthaus.de sind alle Infos und Termine zu finden.
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