Interview mit Bauer Willi

Interview mit Bauer Willi

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Der Artikel „INTERVIEW MIT BAUER WILLI – „Wir Bauern können alles, ihr müsst es uns nur bezahlen“ erschien in der EN-Aktuell 03/22. In der Zeitschrift ist nur ein gekürzter Teil des Interviews zu lesen. Das komplette, ungekürzte Interview finden Sie hier – zum Anschauen, Anhören oder Lesen.

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Willi Kremer-Schillings, besser bekannt als Bauer Willi, ist einer der bekanntesten Bauern Deutschlands. Nicht weil er auf RTL die Liebe gesucht hat, sondern weil er seit Jahren auf eine ehrliche und charmante Weise auf die Situation der Landwirte aufmerksam macht und Probleme nicht nur beim Namen nennt, sondern sie auch für jeden verständlich umreißt. Sein Motto: Brücken bauen, Horizonte öffnen, Mut machen.

„Wir Bauern können alles, ihr müsst es uns nur bezahlen“

Herr Dr. Willi Kremer-Schillings – vielen Dank, dass Sie sich Zeit für ein Interview mit uns nehmen!
Normalerweise interviewen wir in dieser Reihe nur Menschen aus dem schönen Ennepe-Ruhr-Kreis. Heute machen wir aber eine Ausnahme und weiten das Gebiet auf ganz Nordrhein-Westfalen aus. Sie kommen aus Rommerskirchen, aus dem Kreis Neuss, richtig?

So ist das, jawoll!

Warum wollen wir so gerne mit dem in ganz Deutschland inzwischen gut bekannten „Bauer Willi“ sprechen? Wir möchten wissen, ob uns nach der Rohstoff- und Energieknappheit nun noch eine ernste Lebensmittelknappheit bevorsteht. Wir wollen über das Höfesterben sprechen und warum nicht nur die Bauern in den Niederlanden wütend sind und protestieren. Wichtige Themen, für die Sie der ideale Gesprächspartner sind.

Beginnen wir bei ihrer Person. Im Internet kennt man Sie als „Bauer Willi“ und mit Ihrem Brief an die Verbraucher haben Sie vor einigen Jahren einige Millionen Leser erreicht. Sie sind Landwirt, Blogger, Sie haben ein Buch geschrieben und sind Gast in vielen Medienformaten gewesen. In zwei Sätzen: was ist die Kernbotschaft von Bauer Willi?

Ganz knapp: Wir Bauern können alles, ihr müsst es uns nur bezahlen. Die Frage ist ja: im Augenblick produzieren wir Lebensmittel und wie Sie schon sagten, kommt nun Naturschutz dazu, dann soll es mehr Tierwohl sein, es soll Klimaschutz sein und, und, und. Das können wir alles! Man muss nur sagen, was wir tun sollen und man muss es auch bezahlen. Denn wir müssen ja von dem, was wir hier auf unseren Höfen machen, auch leben können.

Gerne würde ich direkt zu der Frage kommen, die so viele Menschen derzeit beschäftigt. Lebensmittel werden immer teurer und immer häufiger entdeckt man leere Regale in den Supermärkten. Denken Sie, dass uns eine ernste Lebensmittelknappheit bevorsteht?

Ich denke, wir werden hier in Deutschland nicht verhungern. Was aber passieren kann und vermutlich auch passieren wird, ist, dass es einzelne Produkte nicht mehr in der Fülle gibt. Dass hier und da wirklich mal ein Regal auch leer bleibt, weil die Energie teurer geworden ist, weil auch die Logistik um die Lebensmittel schwieriger geworden ist. Aber wenn ich hier auf den Acker gucke, ich kann hier aus dem Fenster auf unsere Felder sehen, wir werden wieder Getreide anbauen, wir werden wieder Raps anbauen, der wächst auch schon, wir werden wieder Zuckerrüben anbauen. Die Frage ist, ob wir die Betriebsmittel alle bekommen, die wir dazu brauchen. Wir haben schon einen Teil Dünger vorgekauft, im Übrigen für den vierfachen Preis. Es kann durchaus sein, dass bei Pflanzenschutzmitteln hier und da das ein oder andere Produkt fehlt, sodass man davon ausgehen muss, dass im nächsten Jahr – 2023 – die Erträge vielleicht nicht so hoch sind, wie wir das gewohnt sind. Das können wir uns aber im reichen Deutschland alles zukaufen. Das heißt, wir können im Prinzip den armen Ländern das Essen wegkaufen, das machen wir ja zum Teil auch heute schon. Und das Zweite, was eine Rolle spielt: Gewächshäuser werden häufig mit Gas beheizt. In den Niederlanden, da kommen die Tomaten her, kann es sein, dass wenn das Gas so viel teurer wird, dass der eine oder andere sagt, dass sich der Anbau nicht mehr lohnt und das Gewächshaus einfach leer lässt. Das zu prognostizieren, ob zum Beispiel Gewächshäuser leer bleiben, sprich Ware fehlt, die sonst aus Holland aus den Gewächshäusern kommt, das ist wirklich schwierig. Ab einem gewissen Punkt wird auch der Verbraucher sagen: „Zu dem Preis kann ich mir das nicht mehr leisten!“. Ich habe gestern einen kleinen Artikel von einem Dönerladen gelesen, der jetzt erstmalig den Preis von 10 Euro für den Döner ausgeschrieben hat. Da muss ich sagen, da wird es dann ja langsam haarig, weil wer will sich das denn noch leisten können?

Es gibt ja auch viele, die sich so etwas wirklich nicht leisten können.

Richtig. Ich habe gerade eben Zucker geholt und den habe ich unserer Tafel geschenkt. Die sagten mir, die Zahl der Kunden hat sich verdoppelt im letzten Jahr. Daran sieht man ja auch, dass die Preise, die im Augenblick für Lebensmittel aufgerufen werden, für viele einfach nicht mehr leistbar sind. Das wird im Übrigen, das muss ich gleich schon sagen, noch eine ganze Weile anhalten, denn wir können ja unsere Produkte, die wir jetzt draußen wachsen haben, für das nächste Jahr schon vorverkaufen, also sogenannte Vorkontrakte machen. Diese Preise sind extrem hoch. Das heißt, es kann sogar passieren, dass die Lebensmittelpreise noch leicht ansteigen werden. Aber nicht mehr den ganz großen Sprung, ich glaube, der ist vorbei. Man sieht es jetzt am Zucker, der hat mal 59 Cent gekostet, kostet jetzt 1,29 Euro. Dass er noch sehr viel teurer wird, glaube ich eher nicht. Bei Mehl auch nicht. Also bei den Grundnahrungsmitteln ist, glaube ich, die Spitze schon erreicht. Aber bei Sonderprodukten und Gemüse und Obst, da kann es schon knapper werden.

Welche Maßnahmen müssten wir Ihrer Meinung nach nun treffen?

Ja, im Prinzip die Sicherheit, dass wir unsere Betriebsmittel bekommen, wäre ganz, ganz wichtig. Da hört man im Augenblick aber von der EU noch nichts. Die Bauernverbände haben da immer wieder darauf hingewiesen und haben gesagt, wenn Gas rationiert wird, dann sollte man bitteschön auch darauf achten, dass, was die Mineraldünger Produktion angeht, diese nicht in Mitleidenschaft gerät, weil es ist vollkommen klar, wenn die Nährstoffe fehlen, dann fehlen auch die Erträge und dann fehlen auch die Mengen. Im Augenblick sind die Vorräte weltweit auf auf Kante geschnitzt. Da darf nicht viel passieren an Ernteausfällen weltweit, sonst kann es wirklich dazu kommen, dass wir eine echte Verknappung bekommen. Weltweit. Also immer wieder, ich glaube für Deutschland, dass wir uns die Lebensmittel dann einfach zukaufen. Sie werden dann teurer werden, ja, aber dass wir sie dann nicht mehr bekommen, das sehe ich nicht unbedingt bei den Grundnahrungsmitteln.

Stimmt es, dass es eine neue EU-Auflage gibt, nach der ab nächstem Jahr die Landwirte vier Prozent ihrer Flächen stilllegen müssen? Wie kommt so eine Auflage zu Stande, vor allem wenn wir mit einer Lebensmittelknappheit rechnen müssen? Und was hat es mit der großen grünen Vier auf sich?

Diese Auflage hat es gegeben. Ich habe daraufhin meine Berufskollegen aufgefordert, eine grüne Vier an den Feldrändern aufzustellen, für eben diese 4 % Stilllegung. Auf denen hätte dann nichts wachsen dürfen, was man irgendwie essen kann. Man hätte das verwildern lassen sollen und nicht mal mit einer Blühwiese oder so einsäen dürfen. Aber dann hat, nach längerer Diskussion auch mit den Ländern, der Bundeslandwirtschaftsminister eingesehen, dass in der jetzigen Situation, wo ja auch die Verlängerung des Getreideabkommens mit der Ukraine wieder fraglich geworden ist, es wirklich hanebüchen wäre, jetzt bewusst in Europa auf den Anbau von Nahrungsmitteln zu verzichten und hat diese vierprozentige Stilllegung wieder vom Tisch genommen. Allerdings erst nur mal für ein Jahr. Das heißt, in 2023 dürfen wir 100 % unserer Ackerfläche nutzen. Für 2024 soll aber die 4 % Stilllegung gelten.

Warum? Was hat das für einen Sinn?

Die Kommission möchte, dass auf diesen Flächen die Natur wieder zurückkehrt, dass es dort wieder mehr Biodiversität gibt etc. Kann man alles nachvollziehen, kann man auch aus der einen oder anderen Sicht für vernünftig halten. Aber wenn es um Nahrungsmittelsicherheit geht, muss man sich einfach die Frage stellen: Was ist wichtiger – dass die Bevölkerung ernährt wird oder dass wir mehr Blumenwiesen haben? Das ist der Hintergrund und das gehört zu einer Strategie, die nennt sich „Farm to Fork“, hat der eine oder andere vielleicht schon mal gehört. Zu dieser Strategie gehören nicht nur die 4 Prozent Stilllegung, sondern dazu gehört auch, dass bis 2030 von uns Landwirten fünfzig Prozent der Pflanzenschutzmittel eingespart werden sollen, dass wir bis 2030 weniger düngen und dass wir EU-weit 25 Prozent Bioanteil haben, in Deutschland sogar dreißig Prozent. Wir sind ja immer besonders vorbildhafte EU-Bürger und bei uns sollen es also bis 2030 dreißig Prozent sein.

Hintergrund all dessen ist ja der Naturschutz, der Artenschutz und das Tierwohl. Die Lösung erscheint dem Laien so einfach: wir brauchen mehr Bio-Bauern, wir müssen Massentierhaltung stoppen und mehr Wildblumenwiesen pflanzen. Warum ist die Antwort eben nicht so einfach und wie sieht die Realität heutiger Landwirte wirklich aus?

Das ist die ganz große Frage! Wenn man diese „Farm to Fork“ Strategie liest, dann steht dort nicht drin, wie man das eigentlich kontrolliert. Da steht nur drin, dass man das machen möchte und dass man dann hofft, dass sich alles zum Guten wendet, es mehr Insekten und mehr Vögel gibt etc. Das heißt, im Prinzip ist es ein großes Experiment. Man hofft, dass man mit den Maßnahmen bestimmte Ziele erreicht, das Hauptziel heißt „mehr Biodiversität“ und da sage ich, dann können wir ja ganz auf Landwirtschaft verzichten, dann haben wir tatsächlich mehr Biodiversität, aber dann haben wir leider auch nichts zu essen.

Es ist ja erst einmal super, wenn man versucht, auf mehr Chemie zu verzichten. Aber ich gehe mal davon aus, dass das auch seinen Preis hat, denn es hat ja sicher einen Sinn, warum man düngt. Es geht darum, dass der Befall nicht so groß ist, würde ich jetzt mal als Laie so sagen. Ist das denn umsetzbar?

Das ist ja logisch, was Sie sagen und das wird ja auch jeder einsehen. Was klar ist: wenn „Farm to Fork“ durchgezogen wird, ich sage das mal so brutal, dann werden wir in Europa keine Selbstversorgung mehr haben. Die Frage, die Sie mir jetzt stellen, müssen Sie eigentlich der Kommission stellen, denn die hat diese Strategie beschlossen und es gibt dazu auch wirklich kritische Stimmen. Sowohl aus Deutschland, als auch aus dem Ausland. Das ist der absolute Wahnsinn. Wir haben jetzt schon in Deutschland nur einen Selbstversorgungsgrad von etwas über 80 Prozent. Bei Obst sind es glaube ich 40 Prozent, bei Gemüse ist es noch weniger. Das heißt, das wird noch extremer, wenn wir auf Pflanzenschutz verzichten, wenn wir weniger düngen, dann werden die Erträge sinken, das ist klar. Wenn man weniger isst, nimmt man ab. Und wenn man mehr Bio macht, bedeutet das reduzierte Erträge, auch das ist ohne jeden Zweifel auch von den Fachleuten anerkannt. Das alles führt dann dazu, dass wir von unserem Selbstversorgungsgrad noch weiter nach unten kommen. Ich halte das für hochgradig gefährlich! Das ist meine persönliche Meinung, wir haben jetzt bei der Energie gesehen, wohin das führt, da waren wir ja extrem abhängig vom Ausland, vor allen Dingen aus Russland. Das Gleiche wollen wir jetzt bei Lebensmitteln auch machen? Das kann nicht klug sein.

In den Niederlanden protestieren die Bauern seit Monaten. Es geht um neue Auflagen, die die Existenz vieler Landwirte bedrohen. Auch bei uns gibt es Proteste. Und wir erleben ein Höfesterben. Erwarten Sie dass die Proteste auch bei uns noch größer werden? Und warum geben so viele Bauern, vor allem Schweinehalter, ihren Betrieb auf?

Im Augenblick nicht, sage ich ganz deutlich. Die Niederländer wollen einzelnen Betrieben oder Hunderten von Betrieben vorschreiben, dass sie auf 95 Prozent der Düngung verzichten müssen. Das bedeutet de facto ein Berufsverbot. Das heißt, diese Betriebe können aufhören zu existieren. Und wenn das quasi ohne Entschädigung passieren sollte, darüber wird im Augenblick noch debattiert, dann würden die Leute einfach in die Insolvenz gehen. So weit sind wir in Deutschland (noch) nicht. Hier versucht man, das in irgendeiner Art und Weise finanziell abzufedern, wenngleich das auch nicht immer gelingt. Von daher sage ich: im Augenblick sehe ich die Proteste hier in Deutschland noch nicht. Die Aktion Grüne Kreuze, die 2018/2019 passiert ist, war ja einfach die Not und die Angst der Landwirte, dass sie ihre Existenz verlieren. Es gibt eine Gruppe von Landwirten, die diese Angst auch heute extrem haben, und das sind die Schweinehalter. Da kommt ganz vieles zusammen. Zum einen die Politik, die auffordert weniger Fleisch essen. Zum Zweiten aber auch die Schweinepest, die ganz gewaltig zugeschlagen hat und vor allen Dingen die Exporte verhindert hat. Das drückt natürlich enorm auf die Preise. Nur als Beispiel: im Augenblick bekommt der Schweinehalter/Mäster pro Kilo Schweinefleisch 1,90 Euro. Er braucht aber bei Vorkosten 2,50 Euro. Das heißt, er legt im Prinzip bei jedem Kilo Schweinefleisch heute 50 Cent zu. Das sind beim Schwein ungefähr 50 Euro. Das kann man nicht lange aushalten.

Woran liegt es, dass die Landwirte so schlecht bezahlt werden? Wir hatten das Thema ja auch schon bei der Milch. Jetzt das Beispiel mit den Schweinen.

Das liegt zum einen natürlich an dem Angebot, das zum Teil immer noch zu hoch ist. Zum Teil aber auch daran, dass der Lebensmitteleinzelhandel sich einfach weigert, mehr zu bezahlen. Und er hat die Macht. Wir haben ja mit Lidl, Aldi, Rewe und Edeka vier große Player auf dem Lebensmittelmarkt. Die machen zusammen rund 85 Prozent der Vermarktung unserer Lebensmittel. 85 Prozent, das ist ein Oligopol. Sie schaffen es auch interessanterweise immer wieder sehr einheitliche Preise zu generieren, obwohl das laut Kartellamt eigentlich nicht gehen dürfte. Aber wie gesagt, man nennt das dann intelligente Marktbeobachtung. Ich will jetzt nicht von Preisabsprache reden, das wäre juristisch nicht richtig, aber auf diese Art und Weise können die gewaltigen Druck auch auf die Weiterverarbeitung unserer Produkte machen, also auf die Molkereien, auf die Schlachthöfe und die bezahlen einfach nicht mehr.

Was ist konkret Ihre Forderung?

Das ein Gesetz mit dem Verbot des Einkaufs unter Produktionspreis umgesetzt wird. Ich weiß, dass zu Zeiten von Angela Merkel, die auch den Lebensmitteleinzelhandel nach Berlin eingeladen hat, es einmal einen Agrargipfel und einen Lebensmittelhandelsgipfel gab, und im Prinzip haben die großen Player die Politik ausgelacht, so nach dem Motto: Wie wollt ihr uns das denn verbieten? Dabei ist es dann auch geblieben. Sie merken, ich habe da kein Rezept, das in den Griff zu kriegen und es ist wirklich dramatisch im Augenblick. Für uns Ackerbauern ist die augenblickliche Situation nicht so gravierend. Deshalb muss ich das auch noch dazu sagen, weil wir unsere Produkte auf dem Weltmarkt im Prinzip verkaufen zu Weltmarktpreisen. Wenn ich Kontrakte mache für Getreide oder für Raps, dann sind das Kontrakte, die im Prinzip über die Börse in Paris laufen. Die wiederum bezieht sich auf die Weltmärkte und auf die Weltmarktpreise und da kann ich im Prinzip ja selber entscheiden, zu welchem Preis ich meine Produkte verkaufen kann. Das ist im Augenblick ganz gut, weil die Preise da hoch sind und ich komme auch im Moment mit den höheren Düngemittelpreisen noch einigermaßen zurecht. Aber diese Chance haben die Tierhalter überhaupt nicht und auch die Milchbauern haben die Möglichkeit nicht, weil sie ja nicht an den Endverbraucher verkaufen. Sie verkaufen ja immer wieder an den Tönnies oder Vion oder Westfleisch oder an die Molkereien. Da ist eben nicht die Möglichkeit, das direkt an den Endverbraucher durchzugeben.

Das heißt, erst wenn die Not groß wird, wird da wahrscheinlich Bewegung reinkommen.

Bei den Schweinebauern ist es so, die hören alle auf und das Verrückte ist, in Spanien, ausgerechnet in Spanien, werden im Augenblick in großem Maße Schweineställe gebaut. Es steht zu befürchten, dass die Schweinehalter hier in Deutschland, aber auch in den Niederlanden oder Dänemark, alle aufhören und dass die Schweineproduktion nach Spanien wandert, weil dort die Regelungen für die Schweinehalter nicht so streng sind wie bei uns. Und ja, ob denn da die Tierschützer auch aufpassen, dass in den Ställen alles mit rechten Dingen zugeht, darf man durchaus bezweifeln. Und man muss sich auch mal klar machen, dass Schweinehaltung in ein Land auswandert, was massive Probleme hat, auch mit dem Wasser.

Ich würde noch gerne wissen: wo kauft Bauer Willi ein? Und auf was achter er?

Wir haben einen riesengroßen Garten von 1500 Quadratmetern, den betreut unser Sohn. Das heißt, frisches Gemüse, Obst etc. brauchen wir zum Glück überhaupt nicht kaufen. Wir haben jetzt noch Möhren und Lauch draußen im Feld im Acker stehen, wir haben einen Keller mit vielen Kartoffeln, die wahrscheinlich bis März/April reichen. Wir kriegen im Frühjahr wieder Erdbeeren. Wir haben 60 Physalis-Pflanzen draußen, auch eine Rarität, die unser Sohn aber auch zum Teil verkauft. Den Rest, also die Grundnahrungsmittel wie Mehl und Zucker kaufen wir da ein, wo sie alle einkaufen, allerdings nur bei den Supermärkten und nicht beim Discounter. Meine Frau kauft ein und wir kaufen grundsätzlich nicht bei Aldi und Lidl, aus Prinzip. Ob das viel bewirkt, weiß ich nicht, aber wir wollen diesen Billigheimern einfach keine Chance bieten.

Wie sieht es bei Fleisch aus?

Fleisch kaufen wir auch beim Rewe oder beim Edeka.

Achten Sie auch darauf, wo es herkommt?

Wir gucken schon, dass wir Tierwohl Stufe 2 kaufen. Bio? Ich weiß halt, wie Biofleisch produziert wird oder Bioeier und da weiß ich eben auch, dass da nicht alles Gold ist, was glänzt. Am Beispiel Bioeier: man muss einfach mal, wenn man beim Discounter guckt, auf die Packung sehen und sehr oft steht da ein Stempel drauf mit „NL“. Das heißt, die Bioeier kommen aus den Niederlanden und da leben dann die Biohühner auch in Ställen mit 30.000 Hühnern. Das ist da erlaubt, bei uns wäre es nicht erlaubt und deshalb sind natürlich die holländischen Bioeier auch preiswerter. Ich will eben auch diesen Schwindel nicht unterstützen. Beim Fleisch ist es oft so, dass die Ware aus dem Ausland kommt. Wenn wir Fleisch kaufen, dann muss das aus Deutschland kommen, egal ob das jetzt teurer ist, das spielt keine Rolle. Wir haben hier keinen Metzger mehr im Dorf, der letzte Metzger hat, glaube ich, vor drei oder vier Jahren zugemacht. Von daher sind wir darauf angewiesen, hier im Supermarkt einzukaufen.

Meine letzte Frage betrifft ein Gerücht über Bauer Willi. Es heißt, dass Sie an einem neuen Buch schreiben, stimmt das?

Das stimmt. Ich bin gerade dabei, in den letzten Zügen das Buch fertig zuschreiben. Es soll am 18. November an den Verlag gehen und Mitte Januar erscheinen, vermutlich am 16. Januar. Es wird heißen: „Satt und unzufrieden – Bauer Willi und das Dilemma der Essensmacher“. Es geht um genau das, worüber wir gerade gesprochen haben. Was sollen wir Landwirte machen? Sollen wir Lebensmittel produzieren? Sollen wir mehr Naturschutz machen – was wir können! Sollen wir mehr Artenschutz machen? Mehr Klimaschutz, mehr Tierwohl? Also man muss uns das sagen und das, was ihr wollt, können wir. Aber es muss halt eben auch finanziert werden.

Selbstverständlich, sie sind schließlich Unternehmer. Das wird, glaube ich, oft auch gerne mal vergessen. Ich bedanke mich ganz herzlich für das Interview. Ich freue mich sehr auf Ihr neues Buch. Vielen Dank, dass Sie uns einen Einblick gewährt haben. Ich denke, dass viele Dinge doch wesentlich komplexer sind, als sie so auf den ersten Blick scheinen und daher finde ich es wichtig, dass man mit den Menschen spricht, die es betrifft – die Bauern – und sich ein bisschen mehr Informationen holt. Vielen herzlichen Dank.

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