Schwelmanns Kolumne | März 2025

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Schwelmanns Kolumne

Nostalgischer Gang durchs Dorf

Das neue Jahr ist nun auch schon wieder ein paar Wochen alt. Die meisten guten Vorsätze sind den alten Gewohnheiten gewichen – dann eben nächstes Jahr! Dann aber ganz bestimmt! Frostig kalt ist es draußen. Vom wolkenlosen blauen Himmel strahlt die Sonne herab und erwärmt Schwelmanns Seele. Und weil er einiges zu erledigen hat, beschließt Schwelmann das Auto in der Garage zu lassen und sich – warm eingepackt – zu Fuß runter ins Dorf zu begeben.

Als erstes fallen ihm derzeit natürlich die ganzen Wahlplakate ins Auge, die an nahezu jedem Laternenpfahl hängen und mit denen Parteien und Kandidaten ihren potentiellen Wählern das Blaue vom Himmel herunter versprechen. Erfahrungsgemäß verpuffen alle Versprechen im Nichts, ist die Wahl erst vorbei. Und Schwelmann kommt beim Anblick ein Spruch in den Sinn: „Politiker sind Leute, die vor der Wahl ganz genau wissen wie es geht und nach der Wahl ganz genau erklären können, warum es so nichts werden kann“. Sei es drum. Schwelmann beschließt, Gedanken dieser Art auf seinem Weg durch Bessere zu ersetzen.

Vorbei geht es an dem inzwischen zu einem Wohnhaus umgebauten ehemaligen A&O-Laden, den einstmals die Schwelmer Kaufleute Oppermann & Krämer betrieben. Neben dem kleinen Postamt und der Sparkassenfiliale war hier einst eine kleine Nahversorgungsinsel für das damals entstandene neue Wohngebiet. Geblieben davon ist nur der Bäcker. Einmal gedanklich in längst vergangene Zeiten versunken fällt Schwelmanns Blick auf das naheliegende Gemeindehaus. Mit einem Schmunzeln im Gesicht sieht Schwelmann vor seinem geistigen Auge den alten Pfarrer Storck herauskommen. Wie er damals, als Schwelmann den Konfirmanden-Unterricht zugunsten eines Kinobesuchs mit seinem besten Freund geschwänzt hatte, ihn beim Heimgehen erwischt hatte und der Pfarrer ihm eine ordentliche Strafpredigt gehalten hatte. Den schmalen Weg weiter, vorbei am ehemaligen Kindergarten „Sternenzelt“, in dem Schwelmanns inzwischen längst erwachsene Kinder glückliche Zeiten verbrachten. Mit Spielen und allem, was Kinder halt so gerne machen. Aber ohne die heute in Kitas vielfach übliche „frühkindliche Sexualerziehung“, die den Schwelmann kurzfristig kopfschüttelnd und mit verzogenem Gesicht weiterlaufen lässt.

Weiter Richtung Dorf. Vorbei an einer ehemaligen Gaststätte – wie hieß sie gleich, Kaufmann ???- , noch ein schneller Blick in die Rheinische Straße, wo damals noch das Gebäude des Bahnhofs Loh stand und in dem damals Schwelmanns türkischer Mitschüler Hassan mit seiner Familie wohnte. Auf der anderen Straßenseite betrieb Rolli seinen Lotto-Toto- Laden, eine weitere Kneipe etwas unterhalb. Dazwischen gab es eine weitere Filiale der Sparkasse. Vorbei am damaligen Schlachthof. Und schon hat Schwelmann wieder diesen unangenehmen Geruch in der Nase, der damals oft über diesem Gebiet schwebte. Niederheides kleiner Lebensmittelladen, Hannuschkas Frisörsalon, der, obwohl schon seit vielen Jahren geschlossen, immer noch so aussieht, als käme der Meister gleich zurück, um seinen Kunden die Haare zu schneiden. Allein auf diesem kleinen Stück des Weges gab es noch einen Metzger, einen Gemüse- oder Feinkostladen und sicher noch einiges mehr. Nur noch die Berliner Straße überqueren und schon ist man an der Schwelmer Moschee. Auf diesem Gelände befand sich früher auch ein Kindergarten, den auch Schwelmann besucht hat. Leider ist die Erinnerung daran in Schwelmanns Kopf verblasst.

Ein paar Schritte weiter die Einfahrt zum ehemaligen Schwelmer Eisenwerk, bei dem Schwelmanns Papa bis zur Rente gearbeitet hat und Schwelmann selbst oft in den Ferien gejobbt hat. Die Pförtnerbude ist längst verschwunden, die Kantine ebenso. Wie das ganze Eisenwerk, dessen Zapfsäulen gefühlt an jeder europäischen Tankstelle zu finden waren. Lange her! Kurz vor dem Eisenbahntunnel rechts das Wiegehäuschen. Nur wenige Quadratmeter groß stärkte sich so mancher Eisen- oder sonstige Werker schon vor Arbeitsbeginn im Ausschank oder nahm nach Feierabend hier sein erstes Feierabendbierchen zu sich. Wenige Schritte davor die kleine Imbissbude. Hier gab es die legendären und leckersten Frikadellen und Schaschliks. Viele ältere Schwelmer erinnern sich gerne daran.

Kurz nach dem Tunnel der Treppenaufgang zum Schwelmer Bahnhof. Schwelmann sieht etwas wehmütig seinen Opa, der hier oft auf ihn wartete, wenn Schwelmann nach der Schule auf seinem Heimweg war. Opa drückte ihm dann ein paar Mark in die Hand und schickte ihn in den etwas oberhalb liegenden Tabakladen, um ihm ein paar seiner geliebten Stumpen zu holen. Ja. Das war damals noch möglich. Für den kleinen Schwelmann fielen natürlich immer ein paar Süßigkeiten ab. Dass es Opa weniger auf die Stumpen ankam, welche er sich ganz sicher auch hätte selbst holen können, als auf die Begegnung mit seinem Enkel, wurde Schwelmann erst weit später bewusst. Vor dem Tabakladen war noch an der Ecke Schützenstraße die Bahnhofapotheke. Und einer der ersten Imbissbuden. Hier bot der Grieche Christos wohl als erster im Dorf Gyros im Fladenbrot an. Seine Nachfolger schufen dann den legendären Imbiss „Apollo 17“. Und dann gab es ja noch den Schuhmacher. Damals war es noch üblich, abgelaufene Sohlen und Absätze des teuren Schuhwerks reparieren zu lassen. Auch den typischen Geruch der Schuhmacherei hat Schwelmann noch in der Nase. Fast schon ein wenig meditativ geht Schwelmann weiter. Vorbei an einer Arztpraxis, wo früher Ranft sein kleines Milchgeschäft betrieb. Ein paar Meter weiter Gebrüder Cordt. Polsterei und Schul- und Bürobedarf. Hier konnte man damals alles möglich einzeln, also nicht in den heute üblichen Großverpackungen kaufen. Brauchte Schwelmann einen neuen Radiergummi oder Bleistift, ging er in diesen Laden. Aus langen Schubladen kramte dann einer der Brüder in seinem blauen Kittel eine Auswahl der gewünschten Artikel hervor. Herrlich!

Dann, um die Ecke Kaiserstraße gebogen, war einst der Frisörsalon Muskatewitz, zu dem auch der kindliche Schwelmann genau wie seine Freunde zwecks ordentlicher Frisur geschickt wurde. Mit dem Ergebnis, dass wir Jungs aus der Schützenstraße, in der Schwelmann die ersten zehn Jahre seines Lebens eine glückliche Kindheit verlebte, alle den gleichen Fasonschnitt vom Meister verpasst bekamen und somit bestenfalls durch die Haarfarbe zu unterscheiden waren. Später, nach einem Umbau, eröffnete die beliebte Kneipe „Kaisereck“, in der auch Schwelmann später gerne Gast war. Auf seinem Weg in des Dorfes Mitte kommt Schwelmann an zahlreichen ehemaligen Kneipen und Geschäften vorbei, die eine Menge Erinnerungen wachrufen. Gerade von den Kneipen und Gaststätten gab es zu Schwelms Hochzeiten über hundert Stück, von denen viele jenes Bier ausschenkten, welches in der Brauerei gebraut wurde, an deren Stelle inzwischen das ein wenig überdimensioniert erscheinende neue Schwelmer Rathaus steht. In der Brauereigasse riecht Schwelmann gerade wieder jenen Duft des reifenden Bieres. Leider nur in der Erinnerung.

Und weil ihm gerade danach ist, beschließt Schwelmann seinen Fußmarsch durch die Jahrzehnte für einen Kaffee zu unterbrechen. So sitzt er also in der heutigen Fußgängerzone, durch die sich früher zahlreiche Autos ihren Weg bahnten und auch die gute alte Straßenbahn ratterte. Ein Blick noch auf das Gebäude, in dem mal das KfA, dass Kaufhaus für Alle von Arno Blankenburg ansässig war.

Unserer Dorf hat sich schon stark verändert in den vergangenen Jahrzehnten. Wäre ja auch komisch, wenn nicht. Ob es damals besser war? Jedenfalls war es nicht schlecht. Schwelmann denkt gerne an die Zeit zurück, in denen wir vielleicht nicht viel, aber dennoch alles hatten, was wir brauchten. „Zahlen bitte!“ ruft er der Bedienung zu und kehrt mit seinen Gedanken zurück ins Hier und Jetzt. Während Schwelmann sein Geld herausnimmt, fällt sein Blick auf eine Postkarte, die am Nebentisch liegt. Darauf steht in großen Lettern ein Zitat von Charles Darwin: „Nichts in der Geschichte des Lebens ist beständiger als der Wandel.“ Allen eine schöne Zeit und einen sonnigen Start in den Frühling.

Es grüßt der Schwelmann

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